Berlin, 15. Oktober 2019: Mit flightright, myright, casecheck, helpcheck und wenigermiete.de erlebt Deutschland gerade ein Legal-Tech-Momentum. Allerdings gibt es unterschiedliche Bestrebungen, diese Unternehmen zu (über-)regulieren - die FAZ (van Lijnden) berichtete heute morgen dazu >>. Kein Wunder, denn diese Unternehmen haben etablierte Gegenspieler: Die Automobilkonzerne haben es auf Myright abgesehen, das Ansprüche aus dem Diesel-Skandal durchsetzen will. Wenigermiete.de steht im Fadenkreuz der Immobilienkonzerne. Und die Rechtsanwaltskammer bemüht sich gegen Legal Tech ganz allgemein.
Nun hat sich auch Fabian Heilemann, Partner beim Wagniskapitalgeber Earlybird dazu geäußert. In seinem Kommentar unterbreitet er einen Vorschlag zur Regulierung, der es für "Venture Capital" attraktiv machen würde, in die deutsche Legal-Tech-Industrie zu investieren (deutsche Version siehe unten).
Ein sicherer Rechtsrahmen und Wagniskapitalinvestitionen sind dringend notwendig - sonst wird Deutschland wie auch schon beim Thema Digitale Gesundheit den Anschluss verlieren. Ein Blick auf die Finanzierungsrunden von Legal-Tech-Startups in den ersten drei Quartalen 2019 gibt einen bitteren Vorgeschmack: Insgesamt wurden 1,1 Billionen Euro investiert - allerdings nur ein verschwindend geringer Bruchteil davon in deutsche Unternehmen.
In diesem Kontext wird auch die morgige Entscheidung vom Bundesgerichtshof mit Spannung erwartet (AFP berichtet vorab). Wird Legal Tech in Deutschland schrittweise ausgebremst?
Fabian Heilemann: Legal Tech in Germany: A Thriving Industry at Risk of Over-Regulation
deutsche Übersetzung:
Legal Tech in Deutschland: Warum ein wichtiges Zukunftsfeld jetzt gefördert werden muss
Viele Bereiche des Lebens hat die Digitalisierung bereits verändert – vom Einkaufen, über das Bezahlen bis hin zur Medizin. Nicht alles, was neu ist, bedeutet Mehrwert für viele. Klar ist: Damit Digitalisierung funktioniert und einen Mehrwert bieten kann, braucht es einen funktionierenden ja konstruktiven Rechtsrahmen, der möglichst vielen Interessengruppen gerecht wird. Doch manchmal wird, gerade in Deutschland, digitale Zukunft ausgebremst und durch Überregulierung beschränkt, die nur wenige Interessengruppen im Blick hat.
Derzeit deutet sich eine solche Entwicklung auch im Bereich des Legal Tech an, also der Digitalisierung von Angeboten, die sich mit dem Bereich Recht und Verbraucherschutz befassen. Das wird deutlich, in dem Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums. Dort ist der Entschluss festgehalten, dass Portale mit digitalen Rechtsdienstleistungen, von Anwälten geführt werden sollten. Vereinfacht gesagt, statt Start-ups zu erlauben, was Anwälte tun, will man Anwälten erlauben, was Start-ups tun. Gleichzeitig wird in dem Papier eine Lockerung des Fremdbesitzverbotes (das Aufnehmen von Investorengeldern durch Kanzleien) angesprochen, ohne jedoch konkret zu werden, was genau damit gemeint ist. Das Erfolgshonorar von Anwälten wird nicht besprochen. Im Gegensatz hierzu wird die Erlaubnis von Erfolgshonoraren im Papier der Justizministerkonferenz (JuMiKo Papier) diskutiert, jedoch ohne eine Lockerung des Fremdbesitzverbotes zu behandeln.
Earlybird hat erst vor Kurzem gemeinsam mit einem anderen internationalen Wagniskapitalgeber, in das Legal Tech-Unternehmen LexFox investiert. Es ist die erste Investition internationaler VCs in ein deutsches Legal Tech-Unternehmen – und steht damit auch beispielhaft für einen Trend, in dem Deutschland bereits heute hinterherhängt: Im Jahr 2018 haben sich global die Investitionen in Legal Tech im Vergleich zum Vorjahr versiebenfacht (Forbes) und allein in den ersten drei Quartalen diesen Jahres wurden bereits mehr als 1,1 Milliarden Euro in Legal Tech Start-ups investiert (Law Sites Blog). Davon könnte und sollte in Zukunft mehr nach Deutschland fließen.
LexFox bietet Verbrauchern Hilfestellungen in verschiedenen Bereichen: Mit dem Online-Portal „wenigermiete.de“ können Nutzer hier etwa bei Mieterhöhungen Hilfestellung finden, in dem LexFox ihre Ansprüche gegenüber dem Vermieter geltend machen. Ähnlich verfahren auch die Angebote von LexFox „mehrabfindung.de “ und „weniger-internetkosten.de “. Sie alle haben gemein, dass sie den Verbraucher mündiger machen und ihm in oft mühsamen und zeitaufwendigen Verfahren Unterstützung anbieten. Gleichzeitig nehmen sie ihm das Kostenrisiko ab – der entscheidende Mehrwert für den Kunden.
Trotz der aktuellen regulatorischen Diskussion haben wir in LexFox investiert, da wir darauf vertrauen, dass es uns in Deutschland gelingen kann, eine belastbare Rechtsgrundlage für Legal Tech-Unternehmen zu schaffen.
Im Rahmen der Investition hat sich Earlybird sowohl mit dem bereits oben genannten Eckpunktepapier, dem JuMiKo Papier sowie mit dem Vorschlag der FDP-Bundestagsfraktion für ein Legal Tech-Gesetz auseinandergesetzt. Als Wagniskapitalgeber sind wir Teil des hiesigen Start-up-Ökosystems und möchten als solcher einen Beitrag zu dieser grundlegenden und wegweisenden Diskussion leisten:
Daraus lassen sich konkrete Schlussfolgerungen für die Regulierung von Legal Tech Unternehmen ableiten:
Alles in allem ist es dringend notwendig, dass es einen konstruktiven nicht restriktiven Rechtsrahmen für Legal Tech in und aus Deutschland gibt – die Entwicklung dieses Zukunftsfelds der Digitalisierung dürfen wir nicht durch Überregulierung aufs Spiel setzen.
Stiftung Warentest und FINANZTIP
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