“Eigenbedarf”: Vermieter kündigt Mutter mit gehandicapter Tochter, um Haus teurer zu verkaufen

DER FOCUS* (siehe Fußnote) berichtete zuerst über diesen Fall: Eine Vermieterin wollte eine geschiedene Mutter mit drei Kindern direkt nach Weihnachten aus der Wohnung jagen - denn “bezugsfreie” Immobilien lassen sich auf dem Immobilienmarkt teurer verkaufen. Wenigermiete.de sorgte nun für die Abwehr der Kündigung. Zuvor probierte es die Vermieterin aber noch mit einem ganz miesen Trick - sie klaute der Mutter den Original-Mietvertrag.

Vermieter kündigt
Mietvertrag?
Jetzt abwehren!

Frau Schulte* war erst vor wenigen Monaten aus Hamburg zu ihrem Freund nach Schneverdingen gezogen und ahnte nicht, was ihr bevorsteht. Damals schien es, als sei ein Traum in Erfüllung gegangen. Ihre beiden Söhne fanden in direkter Nachbarschaft einen Ausbildungsplatz. Für ihre sechsjährige Tochter bekommt sie einen Kindergartenplatz. Keine Selbstverständlichkeit, denn die Tochter ist ein Frühchen. Komplikationen nach der Geburt führten dazu, dass sie bis heute Lernschwierigkeiten hat. Schulte musste sogar ihren Beruf aufgeben, denn mit Pflegegrad 2 braucht die Tochter intensive Betreuung - rund um die Uhr. Als ein Kindergarten im nächsten Dorf der Tochter einen Integrationsplatz anbietet, ist die Erleichterung groß.

Dann der Schock: Per Einschreiben erhält die Mutter einen Brief. Darin wird sie aufgefordert, das Haus zu verlassen. Als Übergabe wird der 30. Dezember vorgeschlagen, kurz nach Weihnachten.

"Gemäß §573 Abs. 1 BGB muss ich ein berechtigtes Interesse für die [Wohnungs-]Kündigung vorweisen: Kündigung aufgrund von Eigenbedarf, da (...) das Haus zum Verkauf angeboten werden soll. Das Mietverhältnis endet demnach am 31. 12. 2018. (...) Ich schlage Ihnen als Abnahmetermin den 30. 12. 2019 vor. (...) Bei nicht fristgerechter Abgabe, sehe ich mich gezwungen eine Räumungsklage einzureichen."

 

“Wir haben die Kündigung erstmal akzeptiert. Es klang ja so, als wäre der Brief von Anwälten geschrieben worden. Und man hat uns direkt mit Gericht und Räumung gedroht. Das wollten wir nicht riskieren und haben angefangen, uns eine neue Wohnung zu suchen,” erzählt Schulte.

Die Mutter suchte nach Wohnungen in der näheren Umgebung, denn den Kindern wollte sie nicht schon wieder einen Neustart zumuten. Woanders hätte sie auch so schnell gar keinen Kindergarten- und Ausbildungsplatz für ihre Kinder gefunden.

„Jeden Tag haben wir telefoniert und besichtigt. Nichts klappte. Wir sahen uns schon nach Weihnachten auf der Straße sitzen. Es war einfach Horror. Wir wollten uns den ganzen Zirkus nicht mehr antun und dachten sogar ans Auswandern,” erinnert sich Schulte.

Die Beziehung zwischen Schulte und ihrer Vermieterin, die in direkter Nachbarschaft wohnte, war verständlicher Weise ruiniert: „Wir standen auf Kriegsfuß, haben uns nicht mehr angeguckt. “

Weil die Suche so aussichtslos war, fing die Mutter an, im Internet zu suchen, ob man nicht doch etwas gegen die Vermieterin tun könne:

“Ich hatte ein Freundin, der etwas ähnliches passiert ist. Und die meinte, mit Kindern dürfte man mich nicht rauswerfen. Auf Google habe ich gesucht, was man bei Kündigung machen kann und kam dann schnell auf Eure Website.”

Die Mutter war erst skeptisch und rief gleich drei mal in drei Tagen beim Kundenservice an: “Man erklärte mir, dass die Kündigung mit Grund Eigenbedarf ungültig ist, wenn dies zum Zwecke des Verkaufs geschieht.” Denn Eigenbedarf kann nur angemeldet werden, wenn der Eigentümer oder ein Verwandter selbst in die Wohnung einzieht, und nicht, weil der Eigentümer die Wohnung teurer verkaufen will. Leerstehende Wohnung erhöhen den Preis auf dem Immobilienmarkt schnell um zwanzig bis dreißig Prozent.

Bild: Frau Schulte mit Ihrem Sohn

Nachdem der von wenigermiete.de eingeschaltete Anwalt die Kündigung schriftlich zurück wies, versuchte die Vermieterin der Mutter auf dem Schmutzweg ihre Rechte zu entziehen:
“Sie stand eines Tages an meiner Tür und behauptete, sie selbst hätte nie ein Exemplar des Mietvertrags mit meiner Unterschrift gehabt. Also habe ich mein Exemplar geholt, mit meinem Handy ein Foto davon gemacht und ihr den Vertrag zum Fotokopieren gegeben. Sie sollte mir das Dokument anschließend zurückgeben.“

Aber das geschah nicht. Stattdessen musste die Mutter jetzt befürchten, kein Originaldokument mehr vorweisen zu können, sollte der Fall vor Gericht kommen: “Es war ein einfallsloser Vorwand, um mir den Original-Vertag abzunehmen. Ich hätte ihr den Mietvertrag niemals geben dürfen. Sie hatte nie vor, ihn mir zurückzugeben,” behauptet Schulte.

Dann eine überraschende Wendung: In zwei separaten Briefen ging die Vermieterin auf die Forderung des wenigermiete.de-Anwaltes ein und nahm die Kündigung zurück. „Da war Weihnachten gerettet“, sagt Schulte.

* DER FOCUS berichtete zuerst über den Fall von Frau Schulte.

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