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Oberlandesgericht verhandelt über Mietpreisbremse: Muss Hessen seine Mieter finanziell entschädigen?

Berlin, 24. Januar 2020: Das Oberlandesgericht hat gestern mündlich verhandelt, ob das Land Hessen einen Mieter finanziell entschädigen muss. Dieser hatte seine Miete nicht senken können, weil die Behörden des Landes Fehler beim Erlass der notwendigen Verordnung gemacht haben. Das Urteil wurde nicht sofort gefällt, sondern für den 13. Februar angekündigt. Die Frage, ob Verbraucher den Staat finanziell haftbar machen könne, wenn dieser seine Pflichten verletzt, wurde kürzlich auch in der Thomas Cook Pleite diskutiert. Ein Rechtsdienstleister hatte mit einer Klage gegen die Bundesregierung gedroht und so eine Entschädigung in dreistelliger Millionenhöhe erwirken können.

„Aufgrund der Schlamperei von Sachbearbeitern können sich Millionen Mieter nicht gegen zu hohe Mieten zur Wehr setzen. Ohne den Schutz der Mietpreisbremse sind diese der Willkür von Vermietern und Investoren ausgeliefert. Sie könnten mehrere Milliarden Euro an Miete sparen und ihr Recht auf bezahlbaren Wohnraum einfordern. Dass überhaupt Fehler beim Erlass der Verordnungen gemacht wurden, wird indes totgeschwiegen. Denn selbstverständlich haben einzelne politische Parteien wenig Interesse daran, diese behördlichen Missstände öffentlich zu machen. Im Gegenteil: Es hat sich ein Kartell des Schweigens formiert, das diese Fehler sogar vertuschen will“, sagt Dr. Daniel Halmer, Gründer und Rechtsanwalt von wenigermiete.de.

Liegt eine Amtspflichtverletzung mit Drittbezug vor?

Eine Amtspflichtverletzung liegt vor, wenn das Land, oder ein Vertreter dessen, fehlerhaft handelt und somit das Recht seiner Bürger beschneidet. In diesem konkreten Fall geht es um das Recht der hessischen Mieter, den rechtlichen Hebel der Mietpreisbremse zu nutzen – den sie nun aufgrund eines Formfehlers in der Verordnung eben nicht nutzen können. Ein Amtspflichtverletzung mit Drittbezug liegt immer dann vor, wenn bestimmte Einzelpersonen oder Personenkreise betroffen sind. Erst, wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, können Kläger entschädigt werden.

Das Land Hessen behauptet, da eine große Bevölkerungsgruppe – und zwar sämtliche Mieter des Landes – entschädigt werden müssten, eine Haftung unzumutbar ausgeweitet werden würde (verweist auf Haftungsbegrenzung). Die Kläger von wenigermiete.de widersprechen dieser Darstellung, da ihrer Meinung nach nur ein bestimmter Personenkreis betroffen ist (also der sogenannte Drittbezug hergestellt ist): Und zwar nur Mieter in Ballungsgebieten, die nach 2015, also nach Inkrafttreten der Mietpreisbremse, ihre Wohnungen bezogen haben.

Hatte das Land die Pflicht, eine Verordnung zu erlassen?

Das Land Hessen ist der Ansicht, dass es nach BGB § 556d keine Pflicht gab, eine Verordnung zu erlassen – eine Staatshaftungsklage somit von vorneherein unwirksam ist. Die Kläger von wenigermiete.de argumentieren hingegen, dass sich aus dem Bundesverfassungsgerichtsurteil (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. Juli 2019) eine Pflicht der Länder ablesen lässt, ihren Mieter den Schutz der Mietpreisbremse zu ermöglichen. Das Bundesland damit also sehr wohl verpflichtet gewesen wäre, ihre Mieter in Ballungsgebieten vor überteuerten Mieten zu schützen.

Verfahren könnte erneut in Revision gehen.

Nachdem die Staatshaftungsklage in erster Instanz abgewiesen wurde, legte wenigermiete.de Berufung ein. Im gestrigen mündlichen Verfahren hat das Gericht angedeutet, dass es der von wenigermiete.de vertretene Meinung der Amtspflichtverletzung mit Drittbezug womöglich nicht folgen wird aber noch kein abschließendes Urteil gefällt. Sollte das Gericht die Klage abweisen, hat es allerdings ebenfalls angedeutet eine weitere Revision zuzulassen. Das bedeutet, dass die Frage der Staatshaftung womöglich auch mit Urteilsverkündung am 13. Februar noch nicht abschließend geklärt sein wird.

Milliarden Entschädigung: Erfolg der Staatshaftungsklage hätte weitreichende Folgen

Ein Gerichtsurteil, das die Staatshaftungsklage bestätigen würde, hätte enorme Auswirkungen. Damit rücken weitere Prozesse in greifbare Nähe. Millionen hessischer Mieter könnten ihre überteuerte Miete wirksam mit der Mietpreisbremse senken. Darüber hinaus würde der Erfolg weiterer Staatshaftungsklagen gegen alle verbliebenen Bundesländer, in denen die Mietpreisbremse nicht gilt, sehr wahrscheinlich.

Ob das gelingen kann? Ähnliche Fälle zeigen ja. So hat der Rechtsdienstleister Myright mit ähnlicher Methode bereits Erfolg gehabt. Infolge der Pleite des Reiseveranstalters Thomas Cook hat das Online-Portal erfolgreich mit einer Klage gegen die Bundesregierung gedroht. Verbraucher sollen nun mit der Rekordsumme von 263 Millionen Euro entschädigt werden.

Doch egal, ob wenigermiete.de mit der Staatshaftungsklage gegen Hessen erfolgreich ist: „Wir setzen uns weiterhin für den deutschlandweiten Schutz von Mietern durch die Mietpreisbremse ein und werden Schritt für Schritt alle verbleibenden Bundesländer zur Verantwortung ziehen. Eine Staatshaftungsklage gegen Baden-Württemberg ist schon in Vorbereitung“, so Dr. Halmer.

Zum Hintergrund der Staatshaftungsklage

Mit der Mietpreisbremse haben Mieter seit 2015 die Möglichkeit, überhöhte Mieten zu senken, wenn diese mehr als zehn Prozent über dem ortsüblichen Mietspiegel liegen. In sieben Bundesländern gilt die Mietpreisbremse bislang nicht. In Hessen, Brandenburg, Hamburg, Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ist diese, teilweise aufgrund von Formfehlern der Behörden, unwirksam.

Gegen diese Bundesländer will das Mieterschutzportal LexFox – das hinter wenigermiete.de steht – nun weitere Staatshaftungsklagen anstrengen. Gegen den Freistaat Bayern hat wenigermiete.de bereits erfolglos prozessiert. Der Formfehler bestand darin, dass die Verordnung nicht ausreichend begründet war. Dieses Urteil wurde bereits in erster Instanz gültig und ist nicht mehr anfechtbar. Die Entscheidung des Gerichts wurde noch vor dem wegweisenden Bundesverfassungsgerichtsurteil vom Juli 2018 gefällt, aus dem sich die Pflicht der Länder, die Verordnung rechtskonform zu erlassen, ableiten lässt.

Ein zweiter Anlauf wird nun gegen das Bundesland Hessen unternommen. Der Formfehler der entsprechenden Verordnung bestand darin, dass diese mit dem Stempel „Entwurf“ eingereicht wurde. In Summe werden nun rund 1,5 Milliarden Euro zwischen 2015 und 2020 zu viel bezahlt, rechnet der Verein Miettest e. V. vor.


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